Keine grossen Stories für die Medien, aber irgendein Titel wird immer gefunden

Laut Presse könnte man vermuten, im Kongresszentrum in Lugano hätte sich ein restriktives Migrationspapier entwickelt, oder es hätten Flügelkämpfe und Generationenkonflikte stattgefunden.  „Die Juso konnten eine verschärfte Migrationspolitik ihrer Mutterpartei nicht verhindern – aber abschwächen (BaZ, 9.9.2012)“. Doch seltsamerweise merkte ich nichts davon. Keine Flügelkämpfe, keine restriktive Migrationspolitik – sondern neue Visionen und konkrete Ansätze, wie mit der Migration in der Schweiz umgegangen werden sollte. Ausserdem eine ganz  klare Bekennung zu einer solidarischen und  fortschrittlichen Schweiz.

Unbestritten war der erste Entwurf der Geschäftsleitung eine Katastrophe. Doch daraufhin gingen im letzten Juni  hunderte Anträge ein, sehr viele wurden im zweiten Entwurf übernommen. In  der zweiten Vernehmlassungsrunde wurden dann wiederum Anträge gestellt, auch dort wurden die meisten von der GL übernommen.  Es war eine gute Zusammenarbeit zwischen den Sektionen und der Geschäftsleitung.
Am Parteitag diskutierten wir ausschliesslich über jene Anträge, bei denen die Antragssteller und Geschäftsleitung anderer Meinung waren.

Einige davon möchte ich hier erwähnen:

  • Der Antrag von Jon Pult zum Bürgerrecht kam mit einem grossen Mehr durch. Die SP möchte eine automatische Einbürgerung für alle Kinder, die in der Schweiz geboren sind, oder hier leben, aufgewachsen sind (mindestens  5 Jahre).
  • Die diversen Anträge zu Bildungsoffensiven, die eine wirkliche Chancengleichheit herbeiführen sollen, wurden ohne Gegenstimmen gutgeheissen.
  • Der Schutz vor Diskriminierung im Wohnungswesen wurde ebenfalls stillschweigend durchgewunken.
  • Auch bei der Zwangsmassnahme Level IV gab es innerhalb der Partei keine diametralen Differenzen.  Sowohl der modifizierte Gegenvorschlag der GL der SP Schweiz, wie auch die Streichung dieser Forderung, die von über fünf AntragsstellerInnen gestellt wurden (darunter auch die JUSO Schweiz),  verurteilen das Level IV. Der GL-Antrag, der dem Streichungsantrag unterlag, wollte explizit „eine Politik, in der Zwangsmassnahmen nicht zur Anwendung kommen“.  Der Antrag wollte eine Streichung des Punktes.
    Die halbstündige Debatte über die Unmenschlichkeit, sowie der UN-Flüchtlingskonvention war eigentlich nicht notwendig. Alle waren sich einig, dass Level IV keine Lösung für die Ausschaffungen ist.
  • Das Asylwesen im Grundsatz wurde nicht angegriffen. Es wurde heiss debattiert, ob wirtschaftliche Fluchtgründe via Asylwesen behandelt werden müssen (so wie es aber momentan nicht in der UN-Flüchtlingskonvention steht), oder ob  solche Probleme auf einem anderen Weg bekämpft werden müssen.  Ich bin dezidiert der Meinung, dass alle Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat  zu verlassen, dies aus einer Verzweiflung heraus tun, einer Perspektivenlosigkeit oder der direkten Angst vor dem Tod. Sie beantragen in der Schweiz Asyl – in der Hoffnung hier Schutz zu erhalten. Die Schweiz muss an ihrer humanitären Tradition festhalten und Asylsuchenden, die laut UN-Flüchtlingskonvention verfolgt werden, Schutz gewähren. Wirtschaftliche Fluchtgründe, so verständlich und schicksalhaft sie auch sind, zählen momentan nicht zu asylrelevanten  Fluchtgründen. Es muss aber auch für jene Menschen möglich sein ein würdiges Leben zu führen.  Da sind Migrationspartnerschaften, Entwicklungshilfe (beispielsweise protect the region), politischer Druck, ect. gefragt.  Die Schweiz muss sich da aktiver einsetzen und der ausbeuterischen Wirtschaft einen Riegel vorschieben.

Einige kleine Meinungsdifferenzen waren bei dieser langen und intensiven Diskussion jedoch schon auszumachen. Doch diese zeugen von einer anderen Wahrnehmung – und nicht von einer grundsätzlich anders verstandenen Gesellschaft.

  •  Regularisierung der Sans-Papier: Das Positionspapier fordert neu eine Regularisierung unter mehrere Bedingungen, darunter beispielsweise auch ein  Nachweis 5 Jahre in der Schweiz gearbeitet zu haben notwendig sei. Diese Anforderung der Geschäftsleitung ist zynisch, denn wie möchte jemand beweisen in einem Arbeitsverhältnis gestanden zu sein, wenn der Arbeitgeber dadurch massive Probleme bekäme? Welcher Unternehmer würde eine solche Arbeitsbestätigung ausstellen?
  • Aufstockung Rückkehrhilfe: Laut einer deutlichen Mehrheit der Parteitagsdelegierten sollen die finanziellen Anreize aufgestockt werden. Das ist wohl gut gemeint, erreicht aber genau das Gegenteil: Schlepperbanden können mehr Geld von den Flüchtlingen verlangen. Dieses Geld sollte besser im Land selbst investiert werden. Denn kurzfristige Hilfe ist nicht nachhaltig, wir müssen einen nachhaltigen Aufbau eines Landes finden, damit in Zukunft niemand mehr gezwungen wird sein Heimatland aus ökonomischen Gründen zu verlassen.