Eine Lohnbandbreite schadet keinem Unternehmen

(erschienen in der BaZ am 16.4.2013)

Die Lohnschere innerhalb der Unternehmen öffnete sich in den letzten Jahren massiv. 1984 betrug das Verhältnis zwischen dem landesweiten Medianlohn und dem durchschnittlichen Lohn eines Topmanagers noch eins zu sechs. 1998 schon eins zu 14, und heute liegt es im Durchschnitt bei eins zu 93. Diese Entwicklung ist ökonomisch und gesellschaftlich bedenklich und muss deshalb gestoppt werden. Genau dafür setzt sich die 1:12-Initiative ein. Niemand hat mehr als 12 Mal zum Erfolg eines Unternehmens beigetragen. Die bürgerlichen Kräfte der Schweiz bekämpfen die gerechte Lohnverteilung. Mit allen Mitteln wird gegen die Initiative, über die das Volk voraussichtlich im kommenden Herbst abstimmen wird, gekämpft: mit Lügen, Polemik und viel Geld.

Erstes bürgerliches Argument: Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird geschwächt. Falsch! Es geistern aktuell Lügen herum wie die, dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die für den Werkplatz Schweiz zentral sind, zerstört werden würden. Dies ist schlicht falsch. Der Gewinn eines Unternehmens, auch jener eines KMU, ist nicht gleichzeitig der Lohn des Besitzers. Reinvestitionen, Dividendenausschüttung und Rückstellungen können weiterhin getätigt werden, so wie dies auch bei den Aktionären weiterhin möglich sein wird. Für grosse und internationale Firmen bedeutet die 1:12-Initiative nicht das Ende.

Hervorragende Bedingungen: Denn die Schweiz bietet den Unternehmen und ihren Angestellten hervorragende Bedingungen – wie gut ausgebildete Arbeitskräfte, eine intakte Infrastruktur, Rechtssicherheit und eine hohe Lebensqualität. Unternehmen kommen oder bleiben nicht in der Schweiz, weil hier die Managerlöhne explodieren, und sie profitieren auch nicht von dieser Überbezahlung. Der Gesamtwirtschaft schaden gar solch übertriebene Löhne.

Denn trotz explodierenden Löhnen im Managementbereich ist die Tendenz der Investitionsquote sinkend (1975 bis 2005, gemessen am Bruttoinlandprodukt). Das bedeutet konkret, dass der Profit nicht nachhaltig der Wirtschaft zugute kommt, sondern in die Taschen von einigen wenigen fliesst.

Zweites bürgerliches Argument: Der Markt verlangt so hohe Löhne. Falsch! Weder durch Leistung oder Erfolg sind die millionenschweren Saläre gerechtfertigt. Die absurden Saläre der Topmanager haben mit dem Markt überhaupt nichts zu tun. Vielmehr platzieren sich Abzocker gegenseitig in Verwaltungsräten und scheffeln sich auf diese Art und Weise Millionensaläre und horrende Boni zu.

Drittes bürgerliches Argument: Die ­Firmen werden auslagern. Falsch! Die obere Managementebene auszulagern, um die Lohnbandbreiteeins zu zwölf zu erfüllen, ohne an den Lohnbedingungen etwas zu verändern, ist spätestens seit der Annahme der Abzocker-Initiative verboten.

Die Abzocker-Initiative hält in Artikel 95 Absatz 3 fest: «Die Führung der Gesellschaft kann nicht an eine juristische Person delegiert werden.» Damit sind sogenannte Management-AGs illegal. Der Auslagerung des Tieflohnbereiches sind sowohl mit der Abzocker-­Initiative wie auch der Einführung des Unternehmensbegriffs Grenzen gesetzt.

Freiwilliges Lohnverhältnis: Ein praxisnahes Beispiel zeigt, dass eine Lohnbandbreitedem Unternehmen nicht schadet. Zum Beispiel hat das rentable, international tätige Unternehmen Victorinox ein freiwilliges Lohnverhältnis von eins zu sechs. Auch die beiden ETHs unterschreiten das Lohnverhältnis von zwölf trotz starker internationaler Konkurrenz um die sogenannten besten Köpfe (eins zu sieben und eins zu acht). Eins zu zwölf ist eigentlich keine radikale Idee, sondern in verantwortungsvollen Unternehmen schon lange Realität.

Die Schweiz ist zu Recht stolz auf ihre Demokratie. Die Bevölkerung soll entscheiden, welche Gesetze in der Schweiz herrschen. Wenn ein paar Manager das Gefühl haben, sie könnten uns erpressen, dann treten sie diese Demokratie mit Füssen. Das lassen wir uns nicht gefallen.

Quellen u.a.: Eidgenössisches Finanz­departement, Website Victorinox, SGB Verteilungsbericht 2012, Travail Suisse 2011, Studie Credit Suisse.