Die Milchbüechli-Rechnung geht nicht auf, Replik auf BaZ-Artikel

Mit grossem Erstaunen habe ich die Antwort des Regierungsrates BL zur Kenntnis genommen. Mit ebenso grossem Erstaunen die Annahmen, welche die Baselbieter Regierung getroffen hat und auf denen sie ihre „Berechnungen“ stützt. So nahm sie für Ihre Berechnungen  alle Löhne über 500‘000 Franken und verglich diese mit den 12‘450 Beschäftigten, die im Baselbiet unter 4‘000 Franken verdienen. Diese Milchbüechlirechnung geht nicht auf. Denn die Initiative fordert weder eine Deckelung der Löhne, noch einen Mindestlohn. (Auch wenn diese Abstimmung nächsten Frühling folgt). Die Initiative möchte lediglich, dass in einem Unternehmen niemand mehr als das 12-fache des am schlechtesten bezahlten Angestellten verdient.

Verbreitung von Angst und Schrecken um eigene Fehler zu vertuschen: Investitionsstau und Steuersenkungen für die Reichen

Die Baselbieter Regierung verbreitet die Angst, dass die Initiative über 12‘000 Arbeitsplätze gefährde und dass Steuerausfälle von 23 Millionen Franken drohen würden.  Auch das Schreckensgespenst der Auslagerung wird  mal  wieder hervorgeholt: Aufspaltungen von Unternehmen und Auslagerungen ins Ausland werden prognostiziert – wie wir das bereits bei der Abstimmung über die Abzocker-Initiative erleben konnten. Doch schon damals geschah dies nicht. Zudem ist die Aufspaltung der Unternehmen seit der Annahme der Abzocker-Initiative nicht mehr möglich. (Bundesverfassung: Art. 93 Abs. 3)

Unsere Region hat gute Standortvorteile. Die gute Infrastruktur, die gute Bildung, die politische Stabilität und die hohe Lebensqualität sind entscheidend. Und nicht, ob wir einem Manager eine oder vier Millionen Franken bezahlen können.

Das von der bürgerlichen Regierung genannte „Argument“ der Steuerausfälle ist opportunistisch und heuchlerisch.  Erstens ist es zu einem grossen Teil Kaffeesatz lesen. Es ist gar nicht möglich, genau auszurechnen, was die Initiative für Folgen bei den Einkommenssteuern  hätte, da völlig unklar ist, wie die Lohnsumme umverteilt wird. Kommt hinzu, dass wohlhabende Personen ihre Einkommen bereits heute grösstenteils aus Dividenden und Immobilienerträge erzielen – und nicht aus dem Lohn. Zweitens wird das Argument der Steuerausfällen nun ausgerechnet von jenen Parteien vorgebracht, die dem Bund und den Kantonen mit der Unternehmenssteuerreform II eine Milliarde Steuerverluste verursacht haben- das ist einfach nur grotesk.

Dass sich die Baselbieter Regierung von Scheinargumenten täuschen lässt und diese selbst sogar noch widerholt, deprimiert und stimmt mich resigniert. Gerade das Baselbiet, in dem ich aufgewachsen bin und das mir am Herzen liegt, betrieb jahrelang eine Wirtschaftspolitik, die weder nachhaltig noch durchdacht  war. Zum strukturellen Defizit kamen sowohl gefährliche Steuersenkungen für Reiche, wie auch ein Investitionsstau, den wir Junge in 20 Jahren berappen werden.

Lohnverhältnis wuchs von 1984 von 1:6 auf heute 1:43 an: 1984 betrug das Verhältnis des schweizerischen Medianlohns zum Durchschnittslohn eines CEOs 1:6. Der Lohn stand damit mit der Produktivität und der Leistung einigermassen im Einklang. 1998 öffnete sich die Lohnschere auf 1:13. Heute sind wir beim Verhältnis  von 1:43 angelangt. Diese Zahlen lassen sich weder mit Leistung, Knappheit, Risiko noch Verantwortung erklären. Vielmehr legt ein «Managerkartell» sich selber und gegenseitig die Löhne fest.

Diese Entwicklung und die jetzige finanzielle Lage des Baselbiets zeigt: Die letzten 10 Jahre waren kein Erfolgsmodell! Fernab von der wirtschaftlichen Realität, fernab von gesellschaftlichen Normen und weit fernab vom gesunden Menschenverstand. Die 1:12-Initiative will diese Gier und diesen ökonomische Unsinn stoppen. Der Markt versagt zunehmend, die Herstellung von leistungsgerechter Entlohnung wahrzunehmen. Wo Marktversagen vorliegt, ist es Aufgabe der Politik und der Gemeinschaft, in die Spielregeln einzugreifen. Während die realen Lohnerhöhungen der mittleren und tiefen Einkommen von Krankenkassenprämien, steigenden Mieten und indirekten Steuern weggefressen wurden, nehmen sich einige wenige immer  mehr vom gemeinsam erwirtschafteten Wohlstand. Das ist nicht nur an sich schon ein Skandal, es ist auch volkswirtschaftlicher Schwachsinn. Denn während die schlecht und normal Verdienenden ein immer kleineres frei verfügbares Einkommen haben, wissen die sehr gut Verdienenden nicht wohin mit ihrem Geld und legen es beispielsweise spekulativ in den Finanzmärkten an.

Die Baselbieter Regierung täte besser daran, ihre Wirtschaftsoffensive nachhaltig zu forcieren anstatt die Bevölkerung mit Panikmache zu beunruhigen. Ich sage deshalb aus ökonomischen und gesellschaftspolitischen Gründen überzeugt JA zur 1:12-Initiative und JA zu einer wirtschaftlich starken Nordwestschweiz.