Das kranke Gesundheitswesen

Beinahe täglich konfrontieren uns die Medien mit Berichten über  die steigenden Gesundheitskosten, besonders die anfangs nächstes Jahr  zu erwartende Erhöhung der Krankenkassenprämien. Um die Gesundheit für alle zugänglich zu machen, respektive zu halten und um gleichzeitig das Gesundheitskostenwachstum zu dämpfen, ist es zwingend notwendig, dass sowohl die Finanzierungsart wie auch das Angebot genauer unter die Lupe genommen werden.Ich versuche hier – einmal mehr – einige mögliche Ansätze zu skizzieren und werde mich darum bemühen, dass diese politisch weiterhin diskutiert werden.

Aktuell ist die TARMED-Revision in der Vernehmlassung. Da die Ärzte, die Spitäler und die Krankenkassen sich nicht einigen konnten,  ist nun der Bund eingeschritten. Der Streit zwischen den einzelnen Akteuren ist entflammt. Ein Gedankenspiel:  Ist eine urologische Behandlung am heiligen Stück des Mannes anspruchsvoller und zeitintensiver als eine frauenärztliche Untersuchung?

Der SwissDRG, eingeführt 2012 mit der neuen Spitalfinanzierung, vereinheitlichte zwar das Abrechnungssystem, setzte teilweise aber falsche Anreize.[1] So dürfte die Behandlung jedes Patienten nur in  seinem Interesse erfolgen. Tatsächlich führen aber unnötige Operationen (siehe schriftliche Anfrage Kaspar Sutter[2]), nicht nur zu höheren Kosten, sondern schaden auch der Gesundheit der Bevölkerung.

Der TARPSY 1.0 für die stationäre psychiatrische Behandlung hat grünes Licht erhalten und darf eingeführt werden. Seine Auswirkungen sind noch ungewiss. Um die genaueren Auswirkungen des TARPSY 1.0 für den Kanton Basel-Stadt einschätzen zu können, habe ich heute eine schriftliche Anfrage dazu eingereicht.

Und wie sieht es mit der ST Reha[3] aus? (Tarifstruktur für stationäre Rehabilitation)  Wann kommt dieser, welche Auswirkungen hat er?

Alle Tarifstrukturen müssen überdacht  werden, aber ebenso die Verteilung der Kosten. So ist es nicht länger einleuchtend, weshalb die ambulante Behandlung zu 100% von den Krankenkassen – also den Prämienbezahlenden bezahlt werden soll, die stationäre Behandlung aber  nur zu maximal 45%werden muss. Seit langem –und zu Recht fordern viele Organisationen, dass die ambulante und stationäre Behandlung gleich behandelt werden, nicht zuletzt um das Wachstum der Krankenkassenprämien zu dämpfen. Dabei verschwinden die Kosten nicht, sie müssen dann von den Kantonen übernommen werden. Deshalb ist es auch wichtig, neben den Finanzierungssystemen auch über das Kostenwachstum zu sprechen und dieses zu verlangsamen. Aufgehalten werden kann es nicht. In meiner Interpellation vom 14. Oktober 2016[4] habe ich genau danach gefragt.

– Weshalb wird die Gesundheitsversorgung nicht bedarfsgerechter geplant, die Spitalliste eingegrenzt? Mein entsprechender Anzug dazu aus dem Jahr 2015 wurde sowohl von der Regierung als auch vom bürgerlich dominierten Grossen Rat abgelehnt.[5] Fairerweise muss man hier anbringen, dass im  Staatsvertrag[6] betreffend Planung, Regulation und Aufsicht der Gesundheitsversorgung („gleichlautende Spitalliste“) ein bedarfsgerechteres Angebot angedacht wird – aber leider erst zwei Jahre später!

– Weshalb verlangt der Regierungsrat von den Gesundheitsinstitutionen nicht noch konsequenter, in der Regel Generica zu verwenden? Im Gegensatz zu Deutschland werden in der Schweiz deutlich weniger Generica verschrieben und abgegeben.

– Die Medikamentenpreise[7] sollen nicht länger überteuert über den Ladentisch gehen, dafür aber sollen die wirksamen Medikamente auch von der OPK übernommen werden. Ein trauriges Beispiel ist das Medikament Hepatitis C, das aus wirtschaftlichen Gründen (und wohl weil die betroffenen PatientInnen keine starke Lobby haben) erst ab einem gewissen Stadium der Erkrankung von der OPK übernommen wird.[8]

– Ist die hohe Apothekendichte für die Versorgung der Bevölkerung notwendig  oder erhöht sie nur die Gesundheitskosten?

– Ist der Tertiärprävention und Nachsorge nicht ein stärkeres Gewicht einzuräumen?

 

Dies sind Ansätze, die nun noch  intensiver geprüft und Veränderungen erarbeitet werden müssen . Doch eine Veränderung bedeutet auch, dass einzelne Privilegien von AnbieterInnen abgeschafft werden. Dieser schmerzhafte Schritt ist absolut notwendig. Denn die Gesundheit steht im Dienste der Bevölkerung und nicht umgekehrt. Die Gesundheit muss allen zugänglich, qualitativ hochstehend, bezahlbar und patientenorientiert sein. Diese Rahmenbedingungen dafür zu schaffen,  ist die Aufgabe der Politik.

 

[1] Die neue Spitalfinanzierung führte zu einer Mehrbelastung der OPK. […]“ (Bericht Nr. 16.1509, S.9)

[2] http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100386/000000386062.pdf

[3] https://www.swissdrg.org/de/rehabilitation/st-reha

[4] http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100384/000000384317.pdf

[5] http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100379/000000379774.pdf

[6] http://www.regierungsrat.bs.ch/geschaefte/vernehmlassungen.html

[7] https://www.nzz.ch/schweiz/medikamentenpreise-berset-will-240-millionen-franken-sparen-ld.143104

[8] http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100385/000000385541.pdf und http://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100384/000000384769.pdf