Anzug Sarah Wyss: Vom Mutterschaftsurlaub zur Elternzeit

Über 10 Jahre ist es her, seit auf Bundesebene der Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen mit 80% Lohn eingeführt wurde (Erwerbsersatzordnungsgesetz, EOG). Entsprechend wurde im Kanton Basel-Stadt die Verordnung über den Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaub (162.420) per 1. Juli 2005 angepasst. Für das Kantonspersonal gilt seither: Für Väter ist ein bezahlter Urlaub von 10 Tagen (Verordnung betreffend Ferien und Urlaub, Art. 18, Abs. 1, Ziff. 3), für Mütter von maximal 16 Wochen (Verordnung über den Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaub 162.420 §2, Abs. 1) vorgesehen. Es ist auch möglich, unbezahlten Urlaub zu beziehen.

2006 wurde ein Anzug von Claudia Buess betreffend der Einführung eines kantonalen Vaterschaftsurlaubs eingereicht, und 2008 als erledigt abgeschrieben. Vaterschaftsurlaub sei eine Bundeskompetenz, hiess es in der Antwort, der Kanton betreibe auf andere Art und Weisen die Familienförderung.

In den vergangenen 10 Jahren ist das Interesse am Thema gestiegen. Arbeitnehmer drängen zunehmend darauf, dass Arbeit und Familie besser vereinbar sind. Mutterschaft und Vaterschaft sollen nach der Geburt eines Kindes gleich behandelt werden, auch von Arbeitgebern. Skandinavische Länder haben zukunftsweisende Modelle erprobt, auch Travail Suisse und die Schweizer Gewerkschaften fordern seit Langem einen bezahlten Vaterschaftsurlaub.

Der ökonomische Nutzen eines Elternurlaubs wird in verschiedenen Berichten und Analysen dargelegt. Anlässlich der Änderung des kantonalen Personalgesetzes (zur Verlängerung des Vaterschaftsurlaubes) wurde diese Argumentation bereits ausführlich dargelegt.

Elternschaft und Beruf, insbesondere Kaderpositionen, sind noch immer schwer vereinbar. In den letzten 10 Jahren hat der Kanton Basel zwar Fortschritte gemacht bezüglich Frauen im Kader sowie der Schaffung von Teilzeit-Pensen, aber gemessen am Aufwand der für die Chancengleichheit für Mann und Frau im Beruf und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrieben wird, sind die Ziele klar verfehlt worden. Staatlichen Arbeitgebern kommt auch in dieser Frage eine Vorbildrolle zu.

Es wird Zeit, den nächsten grossen Schritt zu machen und Modelle einzuführen, die beiden Elternteilen die Mitarbeit in der Familie ermöglichen. Der Karriereknick, der berufstätigen Frauen droht, wenn sie sich für Familie entscheiden, muss endlich eliminiert werden.

 

Die Anzugsstellenden möchten ein Modell Basel „vom Mutterschaftsurlaub zur Elternzeit“ auf kantonaler Ebene einführen. Ihnen ist bewusst, dass ein solches Modell aufgrund fehlender nationalen Gesetzesgrundlagen nur für kantonale Mitarbeitende gelten kann und für Angestellte privater Firmen, die freiwillig am Modell Basel teilnehmen.

Grundidee:

  • Das Modell Basel beinhaltet eine Elternzeit von 24 Wochen
  • Mindestanteil der Mutter sind die 16 Wochen Mutterschaftsurlaub
  • Der Vater bezieht mindestens 8 Wochen, maximal 10 Wochen bezahlte Elternzeit.
  • Die Elternzeit ist für die Mitarbeitenden des Kantons Basel-Stadt und Firmen auf basel-städtischem Boden (zumindest in einer ersten Phase) freiwillig.

Anspruchsberechtigung: Die Anspruchsberechtigung soll sich auf Art. 16b der EOG (834.1, Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft) beziehen. Die Finanzierung des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs ist via EOG und Kanton geregelt und bleibt bestehen. Bei einer allfälligen Änderung (beispielsweise wie durch Motion Krummenacher betreffend Einführung einer kantonalen Mutterschaftsversicherung oder Entwicklungen im Anspruch bei Adoptionen) sollen neuste kantonale und nationale Entwicklungen mitaufgenommen werden.

Lohnfortzahlung während der Elternzeit

Die Löhne während der zusätzlichen Elternzeit sollen wie folgt ausbezahlt werden:

  • Die beziehenden Elternteile erhalten bis Lohnklasse 15 mindestens 80% ihres Lohnes, ab Lohnklasse 16 mindestens 50% des Lohnes.
  • Bei Mitarbeitenden aus Privatfirmen können ähnliche Lohnfortzahlungsregelungen wie bei Kantonsangestellten gelten, wobei eine Mindestlohnfortzahlung aber gewährleistet sein muss.

Da es nicht zwingend beide Elternteile unselbstständig erwerbstätige Kantonsangestellte sind, sollen die unterschiedlichsten Konstellationen und die Auswirkungen auf sie bei einer Elternzeit mitberücksichtigt werden. Die Anzugsstellenden könnten sich folgende Regelungen vorstellen.

    1. Beide Eltern arbeiten beim Kanton: keine zusätzlicher Regelungsbedarf
    2. Der Vater arbeitet beim Kanton, die Mutter ist nicht erwerbstätig: Der Vater erhält 10 Wochen Elternzeit (24 Wochen– 14 Wochen = 10 Wochen).
    3. Der Vater arbeitet beim Kanton, die Mutter ist unselbstständig erwerbstätig, aber nicht beim Kanton angestellt: Sofern der Arbeitgeber der Mutter am Modell Basel teilnimmt, kann die Elternzeit vollumfänglich bezogen werden.
    4. Der Vater arbeitet beim Kanton, die Mutter ist selbstständig erwerbstätig: Der Vater erhält maximal 10 Wochen Elternzeit.
    5. Die Mutter arbeitet beim Kanton, der Vater ist nicht erwerbstätig: Die Mutter erhält den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub und maximal zusätzliche 2 Wochen.
    6. Die Mutter arbeitet beim Kanton, der Vater ist unselbstständig erwerbstätig, aber nicht beim Kanton: Sofern der Arbeitgeber des Vaters am Modell Basel teilnimmt, kann die Elternzeit vollumfänglich bezogen werden.
    7. Die Mutter arbeitet beim Kanton, der Vater ist selbstständig erwerbstätig: Sofern der Vater am Modell Basel teilnimmt und mind. 8 Wochen Elternzeit in Anspruch nimmt, kann die Mutter max. 16 Wochen beziehen.
    8. Beide Elternteile arbeiten nicht beim Kanton: Sofern die beiden privaten Firmen am Modell Basel teilnehmen ist die Elternzeit möglich.

 

Teilnahme am Modell Basel: Die Teilnahme am Modell Basel soll (zumindest in der ersten Phase) freiwillig sein. Es ist anzustreben, dass auch Firmen aus Basel dem Modell Basel beitreten. Einzelheiten dazu hat der Regierungsrat zu regeln.

 

Finanzierung: Die zusätzliche Elternzeit könnte wie folgt finanziert werden:

    • Der Kanton finanziert die Lücken für alle Kantonsmitarbeitenden, wobei ein Fonds eröffnet werden darf. Dazu könnte gegebenenfalls auch die Motion Krummenacher betreffend Einführung einer kantonalen Mutterschaftsversicherung die Grundlage bilden.
    • Überlegenswert wäre ein Versicherungsmodell Elternzeit, jenes mit auch mit Beiträgen der Kantonsangestellten finanziert wird. (paritätische Finanzierung Arbeitgeber – Arbeitnehmer, auch hier Motion Krummenacher als Grundlage)
    • Bei privaten Unternehmen, die am Modell Basel teilnehmen, kann der Kanton Basel-Stadt in einer ersten Phase einen Teil der dadurch entstehenden Kosten (beispielsweise 20%) übernehmen, wobei das längerfristige Ziel sein soll, die Elternzeit auch bei privaten Unternehmen paritätisch (Arbeitnehmer – Arbeitgeber) zu finanzieren. Die Unternehmen und Arbeitnehmenden sollen ihre Beiträge in den geschaffenen Fonds einzahlen können. Damit können sowohl die Arbeitnehmenden wie auch die Unternehmen der Privatwirtschaft von den geringeren Verwaltungskosten gegenüber privaten Versichern profitieren.

 

 

Die Anzugsstellenden bitten den Regierungsrat das „Modell Basel – von der Mutterschaftsversicherung zur Elternzeit“ zu prüfen und über deren Umsetzungsmöglichkeiten zu berichten. Im Speziellen soll geprüft werden:

  1. a) Ob und wie private Firmen freiwillig am Modell Basel teilnehmen können.
  2. b) Welche rechtlichen Anpassungen für ein Modell Basel notwendig sind.
  3. c) Welches die finanziellen Auswirkungen aussehen und welche Finanzierungsmodelle es gibt.
  4. d) Welche Implikationen es für Pensionskasse und weitere Versicherungen entstehen und wie diese geregelt werden könnten.