Antrittsrede Grossrat

Sehr geehrte Regierung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, liebe MedienvertreterInnen, liebe Mitarbeitende des Parlamentsdienstes, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Genossinnen und Genossen

Als junge, häuserbesetzende, linksextreme, freche, weibliche, energische, extravagante oder zielstrebige Jungpolitikerin haben mich im Vorfeld die Medien bezeichnet. Wäre ich wirklich hier, wenn dies alles zutreffen würde? Wohl kaum. Ja, ich bin jung und ja ich bin eine Frau. Dies können die wenigsten unter uns hier von sich behaupten. In dieser Legislatur hat der Frauenanteil sogar abgenommen, es gibt grosse Fraktionen ohne Frauen.

Als 1966 das Frauenstimm- und Wahlrecht erstmals in Basel zur Anwendung kam, wurden gerade einmal 11% Frauen in den Grossen Rat gewählt. Als ich – gut 20 Jahre später -1988 geboren wurde, zählte der Rat erst 27% Frauen. Dieser Anteil stieg bis 2008 – nochmals 20 Jahre später – kontinuierlich auf 37% an. Heute sitzen nur 31 Frauen in diesem 100köpfigen Rat.  Schon nur die Tatsache, dass es hier – selbst beinahe 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts in Basel – nicht einmal annähernd eine ausgeglichene Geschlechterverteilung gibt, weist auf einen klaren Handlungsbedarf hin. So hoffe ich, dass wir uns alle dafür einsetzen werden, dass die Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier erfüllt wird, sondern auch in Realität gelebt wird.

Wir sind verschieden und vertreten unterschiedliche Meinungen – nicht immer werden wir uns in dieser Legislatur einig werden können. Und doch ist es unsere Pflicht, uns als Ratsmitglieder für die Anliegen der gesamten Bevölkerung einzusetzen. Auch wenn wir uns um einen Konsens bemühen, wird jede und jeder hier das eine oder andere Mal in der Minderheit sein und seine Anliegen nicht vertreten sehen. Ich werde dann trotzdem weiterarbeiten, für eine konstruktive Politik einstehen und den Kopf nicht in den Sand stecken. Denn: Dem Kanton steht in dieser Legislatur einiges bevor.

Als internationale Stadt dürfen wir nicht abhängig sein von wenigen. Deshalb müssen die KMUs gestärkt werden, Grosskonzerne dürfen uns nicht erpressen können. Vergessen Sie nicht: Die Politik ist legitimiert, Rahmenbedingungen für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zu setzen – und nicht die Wirtschaft! Wir leben in einer direkten Demokratie, nicht in einer Wirtschaftsoligarchie.

Für einen guten Wirtschaftsstandort reicht es nicht, wie das Beispiel der Kantone Luzern oder Basel-Landschaft zeigt, jahrelang Steuern zu senken –  vielmehr muss zukunftsorientiert investiert werden: in den öffentlichen Verkehr, in die Bildung, in die Kultur, in den Forschungsstandort Basel mit der Universität und in die Betriebe mit Ausbildungsplätzen. Nicht zuletzt muss gewährleistet sein, dass Lehrlinge nach ihrem Abschluss weiterhin eine Beschäftigung haben. Es ist  wichtig, dass wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Besonders für junge Leute ist es schlimm, den Berufseinstieg nach der Lehre oder dem Studium nicht zu schaffen.

Zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort gehören auch lebenswerte Löhne. Das bedeutet: Jede und jeder soll von seiner Arbeit leben können. Der Mindestlohn ist meines Erachtens ein guter Ansatz, den die Politik der Wirtschaft im Minimum vorschreiben sollte. Ebenso sinnvoll scheint es mir, eine Lohnbeschränkung gegen oben vorzunehmen. Denn nicht einmal der abtretende Verwaltungsratspräsident der Novartis leistete 720 Mal mehr als seine am schlechtesten bezahlte Mitarbeiterin im Unternehmen. 40.3 Millionen Franken Jahresgehalt sind zu viel. Da muss die Politik eingreifen und Rahmenbedingungen setzen.

Ein guter Wirtschaftsstandort Basel alleine reicht nicht aus, um all den gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen zu sein. Basel braucht mehr, und Basel kann mehr. Basel kann eine pluralistische Gesellschaft wirklich leben. Es braucht eine soziale und offene Gesellschaft, in der niemand an den Rand gedrängt wird, eine Gesellschaft, wo jeder und jede einen Platz hat.

Wir alle haben unseren Platz gefunden – zumindest auf den Bänken des Grossratsaals. Dies bedeutet Verantwortung, eine Verantwortung, die wir wahrnehmen müssen. Für Basel, für die Schweiz und für die internationale Gemeinschaft.

Denken Sie hin und wieder an ihre Kinder oder Enkelkinder – oder, wenn Sie mögen, gerne auch an mich -, wenn Sie Verantwortung übernehmen. Denn wie jene, werde ich als Ratsjüngste wohl am längsten von unseren Entscheidungen hier betroffen sein.

Ich wünsche uns allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine gute Legislatur mit lebhaften Kontroversen, lustvollen Debatten und weisen Entscheiden. Ich freue mich darauf!

Herzlichen Dank!