Der Rohrkrepierer: Elektronisches Patientendossier (EPD)

«Mit dem elektronischen Patientendossier sollen die Qualität der medizinischen Behandlung gestärkt, die Behandlungsprozesse verbessert, die Patientensicherheit erhöht und die Effizienz des Gesundheitssystems gesteigert sowie die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten gefördert werden.» (Art. 1, Abs. 3 EPDG) Ist dieses Ziel auch nur annähernd erreicht worden? Mitnichten. Im Gegenteil. Die Digitalisierung – gerade im Gesundheitswesen – steht nirgends. Und das EPD hat überhaupt nichts beigetragen, dass sich dies ändert. Deshalb braucht es nun zwingend eine Totalrevision, ein EPD 2.0.

Doch was lief schief? Was müsste anders sein? Manchmal lohnt es sich, Ziel, Vorhaben, Gesetz und Realität miteinander zu vergleichen, um es das nächste Mal besser machen.

Kantönligeist par excellence! 2018 verkündete der Kanton Basel-Stadt grossartig die Einführung des «myEPD», welches vom Trägerverein E-health Nordwestschweiz, der Stammgemeinschaft, getragen wurde.
Der Trägerverein wurde im Januar 2017 gegründet, 7 Millionen Franken hat alleine der Kanton Basel-Stadt in die Stammgemeinschaft investiert, weitere Beiträge der Leistungserbringenden (Prämiengelder!) sind da nicht eingerechnet. 2020 schloss sich dann der Kanton der Stammgemeinschaft Axsana an, welcher einen Grossteil der Deutschschweiz abdeckt. Bis heute sind deren sieben Stammgemeinschaften auf der Website auffindbar. In Basel besitzen gerade einmal 50 Personen ein EPD, im Kanton kann man kein EPD eröffnen.
Dass das EPD-Gesetz die Umsetzung der Stammgemeinschaften in kantonale Hoheit gibt, ist inhaltlich ein Witz (die Patientenströme sind interkantonal) und kostete uns Millionen. Während die Technikanbieterin der Stammgemeinschaft bis 2021 noch die Swisscom war, übernimmt nun die Post. Damit übernimmt die Post 6 der 7 Stammgemeinschaften. Die Swisscom hingegen will aus dem Geschäft aussteigen.
Mein Fazit: Der Kantönligeist der Stammgemeinschaften führt zu unnötigen Kosten ohne Mehrwert. Der Pseudowettbewerb ist – einmal mehr – misslungen.

Patient:innen im Fokus? Von wegen! Ich habe mir mal die Mühe gemacht und habe den Versuch gestartet, ein EPD zu eröffnen. Ich klicke mich durch die Website und suche den Anbieter für meinen Kanton. Es ist (seit 2020) die Axsana. Dort beginnt der Dschungel. Einfach zu eröffnen? Mitnichten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass bis dato keine nennenswerte Bevölkerungsgruppe über ein EPD verfügt.  Schweizweit sind rund 13’000 elektronische Patient:innendossiers eröffnet.
In Österreich gibt es beim EPD bereits das Opt-Out Modell. Ein tiefer einstelliger Prozentsatz der Menschen wollten es explizit nicht. (Mit dem Opt-Out Modell haben sie die Möglichkeit proaktiv kein EPD zu besitzen) Doch: Von diesen 2% kam ein Grossteil wieder zurück zum EPD, weil der Mehrwert ersichtlich wurde.
Mein Fazit: Die Eröffnung muss automatisiert werden und grundsätzlich sollten alle Menschen (mit der Opt-Out Modell) ein EPD erhalten. Am einfachsten mit einer staatlichen E-ID. Dem Datenschutz ist grösste Aufmerksamkeit zu schenken. Der Zugang darf dadurch aber nicht behindert werden.

Ein Mehrwert für alle! Um dem Ziel des EPD gerecht zu werden und die Qualität der Behandlung und der Versorgung zu verbessern, müssen zwingend alle Leistungserbringenden Anschluss ans EPD haben. Dazu reicht eine webbasierte Verbindung nicht, es braucht eine echte Digitalisierung – kein PDF Friedhof.
Sinnvollerweise sollen die Patient:innen unkompliziert die Möglichkeit haben, ihre anonymisierten Daten aggregiert und anonymisiert der Forschung zur Verfügung zu stellen, damit kann die medizinische Versorgung verbessert werden. Freiwillig, aggregiert, indirekt und absolut anonym natürlich.
Mein Fazit: Die Freiwilligkeit des Anschlusses ist für sämtliche Leistungserbringenden aufzuheben.

Die Revision des EPD ist bitter nötig, es braucht:

  • Eine zentrale Stammgemeinschaft (in diese Richtung geht es de facto aus wirtschaftlichen Gründen bereits heute)
  • Aufhebung der doppelten Freiwilligkeit mit opt-out Modell
  • Finanzierung des EPD für Patient:innen und Leistungserbringende. Die Kosten dafür dürfen nicht auf die Prämienbezahlenden abgewälzt werden.