Spitäler wollen Teuerungsausgleich – mein Kommentar

Kommentar zum Artikel der NZZ am Sonntag, vom 9. Oktober 2022

Ein interessanter Artikel, welcher doch einige Aspekte der Spitallandschaft beleuchtet. Die Kosten der Spitäler wachsen, die Tarife sind nicht mitgegangen. Besonders der ambulante Sektor, der generell eher unterfinanziert ist. Deshalb muss der Tarif der Teuerung angepasst werden. So weit so gut und auch korrekt. Die Mehrkosten durch Preissteigerung, Strom oder auch die dringend notwendigen Lohnanpassungen in gewissen Fachgebieten und Berufen (der Fachkräftemangel gefährdet die Grundversorgung) können nicht auf den «Konsumenten» abgewälzt werden. Einfach gesagt: Die Gesundheit ist kein Gut der freien Marktwirtschaft, sondern ein Grundbedürfnis und die Versorgung muss endlich wieder zum Service Public werden – die KVG-Revision 2009 zeigt jetzt immer deutlicher, dass dieser Entscheid damals so falsch war.

Die Krankenkassen wiederum entgegnen auf die Forderung nach einer Tariferhöhung, dass steigende Spitaltarife Prämienzahler:innen zusätzlich belasten würden. Ja, absolut korrekt.

Zuerst einmal muss festgehalten: Das Potential von Synergien und Effizienzgewinne in den Spitälern ist langsam ausgeschöpft. Anpassungen sind noch möglich, aber langsam muss aufgepasst werden, dass dies nicht zu Ungunsten der Patient:innen und des Personals geschieht. Das kann nicht gewollt sein. Es muss folglich zuerst geschaut werden, ob wir in der Schweiz in gewissen Bereichen nicht zu viel Angebot haben. Und da ist die Antwort klar und wissenschaftlich bestätigt: Ja, es gibt ein Überangebot in gewissen Fachbereichen. Gleichzeitig gibt es aber auch Unterversorgung in meist finanziell weniger lukrativen Fachgebieten.

Deshalb ist es zwingend, nun endlich so interkantonal zu planen, dass die Spitalkapazitäten dem Bedarf entsprechen. Und ja, unbeliebt wie das ist: Aber das kann auch bedeuten, dass Spitalkapazitäten in Bereichen des Überangebotes abgebaut werden müssen. Das ist ein zwingender Schritt damit der in der NZZaS genannte «beschleunigte Strukturwandel» nicht zu Lasten einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung vollzogen und weniger lukrative aber für die Grundversorgung notwendige Strukturen verschwinden.

Denn was klar ist: Wenn es diese Planung nicht gibt (welche im Übrigen im KVG so verankert ist), führt dies unweigerlich zu einem Über- und Unterangebot und zu einem aus Versorgungssicht unnötigem Kostenwachstum – geschuldet dem fehlgeleiteten Finanzierungssystems.

Ist diese (inter)kantonale Aufgabe erstmals erledigt, dann geht es darum entweder die Tarife zu erhöhen oder aber Zuschüsse für die Grundversorgung zu gewährleisten. In Zeiten des Credos «ambulant vor stationär» werden durch die Tarifanpassung die Prämien besonders stark belastet (weil dort 100% beim stationären nur max. 45% via Krankenkassenprämie bezahlt wird). Es wird deshalb wohl beides benötigt: Anpassung der Tarife an die Teuerung; Zustupf der öffentlichen Hand. Diese Gelder müssen aber klar an Bedingungen geknüpft sein: Grundversorgungsauftrag, Ausbildung von Fachkräften, Aufnahmepflicht aller – um nur einige mögliche Kriterien zu nennen. Für rosinenpickenden Spitäler sehe ich keinen Grund mit noch mehr öffentlichen Geldern einzuspringen.

Keine neuen Forderungen also – aber endlich doch umzusetzen

  • Gesundheitsregionen einführen – für eine bessere interkantonale Planung
  • Qualität statt Quantität finanzieren – für die Behebung der Fehlanreize
  • Einheitliche Finanzierung – für eine praktikable Umsetzung des Konzeptes «ambulant vor stationär»
  • Unterversorgung in der Grundversorgung beheben – für eine garantierte Gesundheitsversorgung für alle
  • Genügend Fachkräfte ausbilden –  für eine garantierte Gesundheitsversorgung für alle
  • Teuerungsausgleich und finanzieller Zustupf unter gewissen Bedingungen – für eine garantierte Gesundheitsversorgung für alle
  • Prämienentlastung (max. 10% des Einkommens für Krankenkassenprämien) – für eine Entlastung der Haushalte

Und PS: Wenn die Schweiz endlich mal adäquat in die Vorsorge, Prävention und Frühintervention investieren würde, wäre das für Mensch und Portemonnaie das Beste! Aber das Interesse scheint da relativ gering zu sein, weil einfach zu viele Akteure von kranken Menschen profitieren.

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