Initiative „Kostenbremse“: Populistisch, aber gut gemeint

Populistische, gut gemeinte Initiative der heutigen Partei «Die Mitte»: Die Initiative will eine Kostenbremse im Gesundheitswesen, welche sich am Wirtschaftswachstum und an der Lohnentwicklung orientiert. Dass sich die ehemalige CVP diesem Thema widmet, ist grundsätzlich reiner Populismus. Populistisch, weil allen die Gesundheitskosten auf den Magen schlagen und diese in den Sorgenbarometern (zu Recht) seit Jahren auf dem Podest stehen. Trotz Corona befindet sich das Sorgenkind Gesundheitskosten noch immer unter den Top 5. Daher ist die Initiative vom Grundgedanke her gut. Gut, weil nun auch die Mitte (CVP) eingesehen hat, dass das Gesundheitswesen nicht marktwirtschaftlich funktionieren darf (weil das bedeuten würde „je kränker die Menschen, desto besser“). Das Ganze ist jedoch nur gut gemeint, weil die vorgeschlagene Lösung nicht wirklich zielführend wäre. Erstens sieht die Übergangsbestimmung ein Kostenwachstum vor, welches zu einer drakonischen Rationierung führen würde. Auch das Umsetzungskonzept der «Mitte» ist nicht brauchbar, da die Vorschläge entweder unwirksam sind, in Richtung 2-Klassen-Medizin gehen oder die Massnahmen bereits heute von der „CVP/Mitte“ im Rahmen der Beratungen zu den Kostendämpfungspaketen abgelehnt wurden.

Der Bundesrat stellt der Verfassungsinitiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Sowohl Initiative wie auch Gegenvorschlag wirken wie grosse Bürokratiemonster. Der Gegenvorschlag ist jedoch eine logische Umsetzungsmassnahme der Initiative, da die Abhängigkeit der Kostenbremse vom Wirtschaftswachstum sinnfrei ist. Denn Gesundheit ist nicht vom Wirtschaftswachstum abhängig, sondern vom Bedarf nach medizinischen Dienstleistungen der Menschen. Dieser wiederum ist von vielen Faktoren abhängig: Medizinischer Fortschritt, demographische Entwicklung, Präventionsmassnahmen, um nur einige zu nennen.

Der Gegenvorschlag sieht eine Kostenzielvorgabe vor. Wird das fixierte Kostenziel überschritten, sollen Bund und Kantone (allenfalls) Massnahmen ergreifen dürfen. Wie der Bund in seiner Botschaft schreibt, seien die Instrumente dafür mehrheitlich bereits vorhanden. Oder wurden soeben vom Ständerat im Rahmen der Behandlung des Kostendämpfungspaketes 1 – mit fleissiger Unterstützung der Ständerät:innen aus der Initiativpartei «die Mitte» – verworfen!.

Ich frage mich einfach – und verzichte darauf, auf die «Interessenbindungen» der Parlamentsmitglieder näher einzugehen – weshalb wir die vorhandenen gesetzlichen Instrumente nicht nutzen, weshalb wir nicht Massnahmen im Parlament beschliessen, welche der Versorgungssicherheit dienen und nicht dem Profit. Damit könnten wir viele Probleme beheben, auch wenn das Kostenwachstum weiterhin da wäre. Aber es wäre gedämpft und wir alle könnten uns sicher sein, dass das Geld der wirklich notwendigen Gesundheitsversorgung dient. Seit Jahren stelle ich mir aber auch andere Fragen, und erlaube mir, diese mit einer Auswahl an Antwortmöglichkeiten einmal weiterzugeben (es sind auch Mehrfachantworten möglich).

Weshalb lehnt das Parlament sinnvolle Instrumente für staatliche Interventionen im Gesundheitswesen ab (siehe Kostendämpfungsmassnahmenpaket 1)?

  • A: Weil damit die Wirtschaftsfreiheit und die Profitmaximierung im Gesundheitswesen gefährdet würde und das heutige System neu gedacht werden müsste.
  • B: Weil dies als Planwirtschaft angesehen wird.
  • C: Weil einzelne Parlamentsmitglieder nicht frei von Eigeninteressen sind. Die Hälfte der Mitglieder der Kommission haben bezahlte Mandate.

Weshalb nehmen die Kantone ihre Pflicht nur ungenügend war, eine bedarfsgerechte Planung (Spitalliste) zu gestalten?

  • A: Weil es nicht einfach ist, den Bedarf zu eruieren.
  • B: Weil die Kantone Angst haben, von Leistungserbringern verklagt zu werden, wenn diese eine Leistung nicht über die OKP abrechnen dürfen.

Wem nützt die schleichende Privatisierung im Gesundheitswesen?

  • A: Den Patient:innen
  • B: Den Unternehmen in der Gesundheitsindustrie, also der Wirtschaft.
  • C: Niemandem

Weshalb hält die Schweiz am Finanzierungssystem der Fallpauschalen fest und baut dieses sogar noch weiter aus?

  • A: Weil es im Sinne der Mehrheit der Entscheidungsträger:innen ist, das Gesundheitswesen weiter zu kommerzialisieren.
  • B: Weil sie sich erhofft, dadurch mehr Transparenz zu schaffen und die Kosten in den Griff zu bekommen.
  • C: Weil die Schweiz den Mut nicht dazu hat, sich einzugestehen, dass Gesundheit ein Service public ist und die bisherigen Finanzierungsmechanismen nicht der optimalen Behandlung dienen.

Kurzum: Weshalb in aller Welt sind wir dazu bereit, Milliarden Steuergelder und Kopfprämien ins Gesundheitswesen zu buttern, aber nicht dazu, die notwendigen staatlichen Regulierungen vorzunehmen, damit das Geld in die Gesundheit der Menschen fliesst? Und weshalb in aller Welt sollen wir ein Bürokratiemonster (Kostenbremse-Initiative) schaffen, wenn die Lösungen eigentlich bereits heute auf dem Tisch liegen?

Die Debatten in der Kommission wie auch im Rat werden spannend, zumal die «Mitte» bislang nicht dafür bekannt war, Bürokratie ankurbeln zu wollen…