Die Weiterentwicklung der IV (WEIV) – ein Flickwerk

Im Sommer 2020 wurde eine Revision des IV-Gesetzes gemacht. Auf die dringend notwendige Totalrevision der IV ist – einmal mehr –verzichtet worden. Stattdessen wurde eine Weiterentwicklung der IV (WEIV) vorgeschlagen und gesetzlich verankert und nun ist die Verordnungsänderung in der Vernehmlassung. Diese Umsetzung der WEIV ist – wenn überhaupt – ein Flickwerk und löst die bestehenden Probleme ungenügend. Hier einige Aspekte von ausgewählten Themenblöcken.

«Optimierung der Eingliederung»:Es ist zu begrüssen, dass die Dauer der Integrationsmassnahmen nicht länger auf zwei Jahre beschränkt werden sollen. Auch die Sinnhaftigkeit der frühzeitigen Erfassung (während der obligatorischen Schulzeit) von Jugendlichen mit gesundheitlichen Problemen und möglichen Arbeitsfähigkeitsthematiken entspricht den Bedürfnissen und ist deshalb zu begrüssen. Doch diese Erfassungen und Bemühungen nützen nichts, solange es keine Verpflichtung gibt auch vermindert leistungsfähige Menschen (gerade auch jüngere) anzustellen. Der zweite Arbeitsmarkt oder Niedriglohnjobs sind keine Lösung, wir benötigen eine Verpflichtung für Arbeitgebende (ab einer gewissen Grösse). Wenn wir dies nicht tun, ist oftmals nur die IV-Rente, oder auch Sozialhilfe die Folge. Es ist sehr stossend, dass aus Verordnungsebene explizit gefordert wird, dass eine Erstausbildung nur bei Fähigkeit (nach Berufsbildungsgesetz) im ersten Arbeitsmarkt möglich sein soll. Auch Personen, welche eingeschränkt leistungsfähig sind, sollen eine Erstausbildung machen können und in diese Richtung hin unterstützt werden.

«Medizinische Massnahmen»:In diesem Themenblock wird die Beeinträchtigung aufgrund von psychischen Erkrankungen und Einschränkungen nicht konsequent (u.a. IVV, Art. 3 Abs, 1 Bst. D) aufgenommen. Dies ist besonders stossend als dass ein Schwerpunkt der WEIV (zumindest bei den Eingliederungsmassnahmen) auch psychisch beeinträchtige Personen miteinbeziehen soll.

«Rentensystem»:Unter diesem Block fallen die Kürzungen unter dem Deckmäntelchen von Verbesserung und Abflachungen. Fakt ist: Es sollen Gelder in gewissen Zielgruppen eingespart werden (u.a. -82 Millionen in der Gleichbehandlung Taggeld; -35 Millionen Vermeidung der Renten). Selbstverständlich ist es gut, dass Wiedereingliederungen optimiert werden, aber diese dürfen sich nicht auf Rentenansprüche der IV-Bezüger*innen auswirken. Übrigen werden diese Kürzungen auch einfach auf andere Sozialwerke verlagert oder Personen mit Beeinträchtigungen in die Armut getrieben.

«Verfahren und Begutachtung»: Die Rechtsgleichheit in der Schweiz ist gefährdet und wir immer weiter kompromittiert. Da die kantonalen IV-Stellen einen grossen Handlungsspielraum haben, und die kantonalen Gerichte sehr unterschiedlich entscheiden, hat eine Person, welche IV beantragt, entweder Glück oder Pech – je nach Kanton, in dem er/sie lebt. Auch das Bundesgericht löst das Problem nicht, da dieses lediglich formaljuristisch nicht aber inhaltlich Stellung bezieht. Diese Problematik könnte vermindert werden indem mehrere Kantone gemeinsam IV-Stellen betreiben. Da dies aktuell aber nicht in Anspruch genommen wird, müsste hier eine zwingende Bestimmung Eingang finden, welche von einer IV-Stelle verlangt mindestens 250’000 Versicherten zu betreuen. Damit könnten personenabhängige und beinahe schon zufällige Entscheidungen minimiert werden. Auch wäre es in diesem Zusammenhang wichtig, dass alle Gutachten nach Zufallsprinzip UND mindestens bidisziplinär erfolgen.

Es ist klar! Diese WEIV ist so nicht tragbar. Es braucht im Rahmen dieser Weiterentwicklung Anpassungen.

Eine wirkliche Optimierung der Eingliederung ermöglichen

  • Verpflichtung oder Anreizsysteme für (grössere) Arbeitgebende Personen mit einer verminderten Leistungsfähigkeit im Rahmen des ersten Arbeitsmarktes anzustellen.
  • Berufliche Erstausbildung muss auch möglich sein, wenn das Berufsbildungsgesetz eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt für unwahrscheinlich einstuft. (IVV, Art. 5 Abs. 3 Bst. B)

Bei den medizinischen Massnahmen im Besonderen die psychischen Erkrankungen und Beeinträchtigungen konsequent berücksichtigen

  • Konsequente Aufnahme des psychischen Gesundheitszustandes (analog kognitiv, körperlich)

Willkür vermindern, Verfahren bei den IV-Stellen verbessern, Vermeidung von personenabhängigen oder kantonalen Entscheidungen (welche oftmals noch politisch motiviert sind)

  • Einführung zufälliger bidisziplinäre Gutachten
  • Mindestgrösse für IV-Stellen vorschreiben

Doch grundsätzlich benötigen wir eine Totalrevision. Schluss mit dem ewigen Flicken und Pflästerlen. Reformieren wir das Gesetz total und führen es endlich ins 21. Jahrhundert.