Morgen feiern wir den ersten August, lassen Sie uns zu dieser Tradition, die gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts ihren Anfang nahm, ein Moment innehalten. Zunächst als einmaliges Ereignis durchgeführt, wurde sie einige Jahre später, auch auf Drängen von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, die auch ihren Quatorze Juillet wollten, als Nationalfeiertag eingeführt.
Für uns Baslerinnen und Basler war das Verhältnis zum ersten August schon immer ein bisschen gespalten und so feiern wir ihn doch lieber einen Tag zu früh. Wir schaffen es damit zwar nicht auf den Quatorze, aber doch in den Juillet und sind damit vielleicht auch ein bisschen näher bei Liberté, Egalité und Fraternité wie andere. Ein schöner Gedanke, der mich stolz macht.
Die Bundesfeier verweist nur schon in ihrem Namen auf den Bund, das Verbindende, auf das WIR der Schweiz. Wissen Sie noch, wie sie die Schweiz und ihre Menschen kennengelernt haben? Wie sie zu ihrem eigenen Bild dieses «WIR in der Schweiz» gekommen sind? Bei mir waren es, wie bei so vielen, unteranderem die Schulreisen.
Oftmals ging es in die bergige Schweiz zum Nationalmythos Alpen, zu den Felsen, die für Beständigkeit stehen und doch im Zuge der Klimaerwärmung zu zerbröckeln drohen. Doch die Alpen waren lange Zeit mehr Bürde denn Sehnsuchtsort. Aufwändig in der Bewirtschaftung, schwer zugänglich und nur mit grösster Anstrengung zu überwinden. Wir rangen mit ihnen, verfluchten sie und erschufen erst spät das Bild des Alpenlandes – um es dann in den 80er-Jahren mit dem bekannten Slogan «Nieder mit den Alpen, freie Sicht aufs Mittelmeer!» wieder in Frage zu stellen. Die Schweiz ist und war schon immer mehr als Ballenberg.
Die Sehnsucht der Menschen nach Sicherheit und Festzurren von dem was mal war, ist gross. Im Gegensatz dazu die Wirklichkeit, sie ist immer in Bewegung. Oder wie es Jacob Burckhardt gesagt hat: „Nur in der Bewegung, so schmerzlich sie sei, ist Leben.‟ Und doch führen der globale Wettbewerb und die technische Entwicklung zu tiefgreifenden Veränderungen und treiben uns zu immer höheren Leistungen – zunehmend auch krankmachend. Dem gegenüber stehen wir Menschen mit unseren Marotten, Grenzen und Unzulänglichkeiten.
Die Schweiz kennenlernen bedeutet auch die tragischen und traurigen Seiten in den Blick zu nehmen. So erkrankt im Verlauf des Lebens jede und jeder fünfte an einer Depression. In unserer auf Leistung und „es geht uns immer gut‟ ausgerichteten Gesellschaft hat es hierfür oft zu wenig Platz. Betroffene und Angehörige fühlen sich in schwierigen Zeiten nicht selten alleine gelassen. Das WIR ist weit weg.
Auch in der Schweiz fordert das Leben. Glückliche und schmerzhafte Momente und Zeiten gehen Hand in Hand. Wie in allen Ländern dieser Welt. Doch gemeinsam und mit Rücksicht aufeinander können wir einen Unterschied machen, für mehr Menschlichkeit sorgen und auch die Herausforderungen der Zukunft meistern. Wir gemeinsam in der Schweiz und wir gemeinsam in der Welt.