Das Tandem im Gesundheitswesen: Qualität sichern und Gesundheitskostenwachstum dämpfen

Das Wachstum der Gesundheitskosten zu dämpfen, bedeutet nicht nur, das heutige Finanzierungssystem grundlegend zu überdenken. Viel essentieller ist, dass kostendämpfende Massnahmen auch zur Verbesserung der Qualität und einer besseren Gesundheit führen. Dass dies möglich ist, zeigen meine vorgeschlagenen Massnahmen.
Da der Markt des Gesundheitswesen auf 70 Milliarden zu beziffern ist, und eine bessere Gesundheit bedeuten würde, dass dieser Markt nicht mehr so exponentiell wächst, sind jegliche Massnahmen, welche die Qualität verbessern und das Kostenwachstum dämpfen, schwierig durchzubringen. Zu viele wirtschaftliche Interessen stehen im Wege. Deshalb ist für mich auch klar, dass das Gesundheitswesen nicht weiter privatisiert werden darf. Denn: Wer mehr an Gesundheit verkaufen will, braucht mehr Kranke – und hat kein Interesse an einer gesunden Gesellschaft.
Damit möchte ich auf keinen Fall den tausenden Menschen zu nahe treten, welche sich, sei es in Labors, am Bett oder im OP für das Wohl der PatientInnen einsetzen. Aber der Mechanismus, der hinter diesem Markt steht, muss durchbrochen werden.
Der Bund hat 39 Massnahmen zur Dämpfung des Kostenwachstums vorgeschlagen. Diese gilt es nun genauer zu prüfen. Handlungsbedarf besteht sowohl auf nationaler wie auch kantonaler und kommunaler Ebene. Nur wenn wir hier enger zusammenarbeiten, ist eine Qualitätsverbesserung und eine Dämpfung des Kostenwachstums möglich.

 

Massnahme 1: Fachkräftemangel beheben
Der Fachkräftemangel – sowohl im pflegerischen wie auch im ärztlichen Bereich muss behoben werden. Damit sichern wir langfristig eine gute, für alle zugängliche und sinnvolle Versorgung. Dafür müssen wir…
1. …mehr ÄrztInnen und Ärzte ausbilden. Dabei soll aber nicht die Zulassung (Numerus Clausus) einfach aufgehoben werden. Vielmehr soll eine längerfristige Bedarfsanalyse nach Fachrichtungen erstellt werden. Die Ausbildungsplätze sollen neu nach Fachrichtungen vergeben werden. Es ist jedoch klar, dass dafür die aktuellen Studienplätze nicht ausreichen. Um eine Erhöhung der Studienplätze kommen wir nicht herum.
2. … mehr Pflegepersonal ausbilden um dem Pflegenotstand zu begegnen
3. … Berufe im therapeutischen Bereich – wie beispielsweise PhysiotherapeutInnen – fördern.
4. … all die Auszubildenden Personen benötigen vermehrt auch eine praktische Ausbildung. Aufgrund der Ambulantisierung ist es wichtig, dass Praktikumsplätze in allen Branchen auch im ambulanten Bereich vermehrt gefördert werden sollen. Dafür sollen neue Finanzierungsmodelle entwickelt werden.
5. … faire Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigte im Gesundheitswesen schaffen. Dazu gehören die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – auch in Kaderpositionen, die Beschränkung der Lohnschere der Angestellten innerhalb einer Institution und eine solide Altersvorsorge – auch für Personen mit einem kleinen Arbeitspensum. Nur mit guten Arbeitsbedingungen schaffen wir es den Mangel an Fachpersonen zu beheben und eine gute Qualität zu gewährleisten.

Massnahme 2: Ambulantisierung vorantreiben
Der medizinische Fortschritt erlaubt es die Ambulantisierung vermehrt voran zu treiben. Mit sogenannten «Listen» (Behandlungen, welche im Normalfall ambulant durchgeführt werden müssen), sollen diese Bemühungen gestützt werden. Für eine qualitativ hochstehende Ambulantisierung benötigt ausserdem…
1. … eine umfassendere Liste mit Behandlungen, welche ambulant zuzuführen sind. Mit Blick ins Ausland ist es offensichtlich, dass diese Liste in der Schweiz momentan noch deutlich ausbaubar wäre.
2. …eine umfangreichere nationale Liste mit Behandlungen, welche ambulant durchzuführen sind.
3. … eine verstärkte Unterstützung der Angehörigen. Ambulante Behandlungen sind oftmals kostengünstiger. Nicht aber zuletzt auch deshalb, weil die Nachsorge oftmals von Angehörigen übernommen wird. Angehörige, welche für Nahestehende sorgen, sollen deshalb stärker unterstützt werden. Dies beispielsweise durch einen Erwerbsersatz (analog Mutterschaftsversicherung, Militärersatz), sodass einerseits im Alter keine Nachteile entstehen, andererseits aber auch während der Angehörigenpflege die finanziellen Einbussen zu verkraften sind.
4. … mehr Ausbildungsplätze im ambulanten Bereich. Sowohl für ÄrztInnen, Pflegepersonal wie auch anderes therapeutisches Personal.

Massnahme 3: Unnötige investitionsspirale stoppen
Die Mengenausweitung ist mit dem heutigen Finanzierungssystem kaum zu stoppen. Es braucht deshalb noch vermehrte Regulierungsmassnahmen um die Mengenausweitung einzudämmen und eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. Dazu gehört…
1. … Grossinvestitionen in Spitälern, wie Apparate, Ausbauten, etc. müssen vom Kanton vor der Bewilligung einer strikten Bedarfsabklärung unterliegen, sofern diese auf die obligatorische Krankenversicherung Einfluss haben.
2. … dass stationäre Eingriffe in einer (Gesundheits)region nur ein bis zwei Mal angeboten werden dürfen. Dafür ist es notwendig, die Spitalplanung restriktiver und regionaler (nicht nur kantonal) auszugestalten und vor allem durchzusetzen. Die bedarfsgerechte Versorgung ist dabei – im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung – höher zu gewichten, als die Wirtschaftsfreiheit. Da es dort kein freier Markt gibt, ist die Wirtschaftsfreiheit im OKP-Bereich nicht gegeben. … die Rolle eines Gate Keepers – beispielsweise HausärztInnen – muss gestärkt werden.
3. … der heute rein quantity-based orientierte Tarmed-Tarif muss überarbeitet werden. Es soll versucht werden hier ein qualitity-basedes Modell zu entwickeln. Dies verhindert eine Überbehandlung, gleichzeitig ist es sehr patientenkonzentriert.
4. … dass es schweizweit 5-7 Gesundheitsregionen gibt, welche gemeinsam planen. Dem nationalen Bundesamt für Gesundheit sollen mehr regulatorische Kompetenzen zugesprochen werden. Diesen Gesundheitsregionen soll eine nationale Koordinationsstelle überstehen, damit es weder zur Unter- noch Überversorgung kommt.

Massnahme 4: Gesundheitskompetenz stärken
Es ist bekannt, dass sich die eigene Gesundheitskompetenz sich nicht nur auf den Menschen selbst, sondern auch sein Portemonnaie auswirkt. Damit diese Gesundheitskompetenz aber auch tatsächlich entwickelt werden kann, sind verschiedene Förderungsmassnahmen notwendig. Dazu gehört unter anderem…
1. … dass die Prävention und Vorsorge verstärkt wird. Der Anteil, welche wir für die Prävention ausgeben soll auf 5% erhöht werden.
2. …. dass der Ansatz der Salutogenese vermehrt Eingang in die Behandlungskette findet.
3. …. dass das Thema der Gesundheit in der obligatorischen Schule eine grössere Rolle spielt.
4. …. dass Breitensportangebote bezahlbar und zugänglich für alle sind. Eine Reduktion der J+S-Beiträge beispielsweise ist nicht tragbar.
5. …Angebote, welche evidenzbasiert sind und die Gesundheitskompetenz stärken, sollen vermehrt gefördert werden.

Massnahme 5: Digitalisierung sinnvoll nutzen
Die Digitalisierung ist eine grosse Herausforderung, gerade auch im medizinischen Bereich. Der technologische Fortschritt kann aber grosser Nutzen bringen. Dieser Mehrwert soll im Gesundheitswesen sinnvoll genutzt werden. Dazu gehören Massnahem, wie …
1. … die stärkere Forcierung des elektronischen Patientendossiers (EPD), welches momentan noch mit Samthandschuhen angetastet wird. Alle Akteure im Gesundheitswesen sollen verpflichtet werden sich am EPD zu beteiligen.
2. … die Förderung der integrierten Versorgung durch technologische Hilfsmittel wie das EPD verstärken. Dadurch können unnötige oder fehlende Behandlungen vermieden werden.
3. …. rezeptpflichtige Medikamente von chronisch kranken Menschen automatisch (per App) zu verlängern. Das Ausland beweist, dass dies qualitativ hochstehend funktioniert.