Interpellation Kantonaler Handlungsspielraum für sinnvolle Familiennachzüge nutzen

Der Familiennachzug ist im AuG geregelt. Die Interpellantin sieht prinzipiell davon ab Einzelfälle politisch aufzuarbeiten und stellt sich uneingeschränkt hinter die Gewaltenteilung. Das vorliegende Fallbeispiel – anonymisiert und in enger Absprache mit den Betroffenen – dient lediglich als Beispiel dafür, dass der kantonale Handlungsspielraum für Familiennachzüge durchaus auch politischer Natur ist.

Herr G., Schweizer Bürger, heiratete 2009 Frau G., welche die brasilianische Staatsbürgerschaft besass. Die Ehefrau hat das alleinige Sorgerecht für zwei Kinder aus früherer. Im August des Hochzeitsjahres wurde erstmals der Nachzug der beiden Kinder V. (männlich, Jg. 93) und M. (weiblich Jg. 98) beantragt. Der Sohn war damals 16 Jahre, die Tochter 11 Jahre alt. Beide Kinder mussten die Schweiz
aufgrund des fehlenden Visums wieder verlassen. Im April 2011 erhielten beide Kinder eine Aufenthaltsbewilligung. Aufgrund von der Ausbildung, respektive dem Militärdienst kehrten sie kurzfristig nach Brasilien zurück. Dort wurden sie von der Grossmutter und von der älteren Schwester (Jg. 89) betreut. Am 22.2.2013 wurde die Wiederzulassung des Gesuchs des Sohnes genehmigt, der diesem Zeitpunkt 20-Jahre alt war. Heute verfügt er über eine Ausbildung, eine feste Beziehung und eine eigene Wohnung.
Am 1.10.2015 ersuchte Familie G. die Behörden um einen familiären Nachzug aufgrund einer veränderten Familiensituation. Die älteste Tochter, mit Jahrgang 1989, gründete eine eigene Familie und die Grossmutter wurde stark pflegebedürftig. Die Vorinstanz des Migrationsamtes fällte am 16.11.2015 einen negativen Entscheid. Als Begründung wurde unter anderem angegeben, dass die fehlende Betreuungsmöglichkeit nicht gegeben sei und es aus integrationspolitischer Sicht nicht erwünscht sei Jugendliche im Alter von knapp 18 Jahren in die Schweiz zu holen. Am 26. Januar 2016 wurde die Abweisung des Gesuchs Migrationsamt entschieden. Am 2.2.2016 reichte die Familie G. einen legitimierten Rekurs ein. Am 26. März 2017, über ein Jahr später also, wurde der Rekurs abgewiesen.

Die Interpellantin bittet den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

1) Gemäss Art. 47 Abs. 1 AuG muss der Familiennachzug innert 5 Jahren geltend gemacht werden und der Antrag vor dem 18 Lebensjahr erfolgen. Es gibt aber eine Ausnahmeregelung, die vorsieht den Familiennachzug bei besonderen Umständen dennoch zu gewähren.

a) Wie viele Gesuche um Familiennachzug von Kindern gestützt auf Art. 47 AuG wurden in den vergangenen 5 Jahren bewilligt, wie viele wurden abgelehnt?

b) Wie oft wurde eine solche Ausnahmeregelung in den letzten 5 Jahren beantragt?
Wie viele davon wurden bewilligt? Ich bitte um eine Auflistung nach Jahr.

c) Welches könnten laut Regierungsrat solche besondere Umstände (Ausnahmeregelung nach Art. 47 Abs. 4) sein?

2) Der Regierungsrat wägt in einer Erwägung das „öffentliche Interesse […] der Durchsetzung einer restriktiven Einwanderungspolitik“ höher gegenüber dem privaten Interesse von Mutter und Tochter an einer Familienzusammenführung in der Schweiz ein. Diverse Abstimmungen im Bereich der Integration-und Einwanderungspolitik zeigen, dass die Bevölkerung des Kantons Basel-Stadt durchaus die grossen Herausforderungen der Migration und Integration sehen, aber von einer radikal restriktiven Einwanderungspolitik eher ablehnend gegenüber stehen. So wurde beispielsweise die Volksinitiative „gegen Masseneinwanderung“ mit 61% sehr deutlich abgelehnt“. Auch integrationspolitische Anliegen werden seitens der baselstädtischen Bevölkerung eher progressiv aufgenommen. So wurde beispielsweise der Bundesbeschluss über die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration mit 67.54% angenommen, die restriktive kantonale sogenannte „Integrationsinitiative“ wuchtig mit 72.95% abgelehnt. Auch zeigte die Stimmbevölkerung aus dem Kanton – beispielsweise mit dem deutlichen NEIN von über 70% zur Durchsetzungs-Initiative, dass Grundrechte stärker wiegen als eine restriktive Migrationspolitik.

a) Ohne konkret auf den obengenannten Fall einzugehen, worin macht sich im Kanton Basel-Stadt allgemein der Wille zu einer restriktiven Einwanderungspolitik bemerkbar? Worauf stützt sich das Migrationsamt dabei?

b) Welches ist genau das öffentliche Interesse der Durchsetzung einer restriktiven Einwanderungspolitik im Falle von Familiennachzug?

c) Weshalb legt das Migrationsamt seinen ihm zustehenden Ermessensspielraum im Bereich des Familiennachzuges, insbesondere bei minderjährigen Kindern, derart restriktiv aus?

d) Was bräuchte das Migrationsamt, um eine liberalere Handhabung der Gesuche um Familiennachzug von minderjährigen Kindern zu praktizieren?