Die Gesundheitskosten steigen jährlich. Vor wenigen Tagen wurden für das Jahr 2017 massive Erhöhungen der Krankenkassenprämien in der ganzen Schweiz bekannt gegeben. Anders als in anderen Jahren ist das Prämienwachstum nun laut Bundersrat auch in den Landkantonen angekommen. Diese Tatsache erhöht den Druck auf alle Kantone, eine neue Finanzierungslösung zu finden. Mit diesem Beitrag zeige ich konkrete Massnahmen zur Kosteneindämmung auf und stellt ein neues Finanzierungsmodell vor.
Die Gesundheitskosten machten 1960 noch 4.8% des BIP aus, heutzutage sind es 11.1%.[1] Diese Steigerung widerspiegelt die Weiterentwicklung der Medizin, einen besseren Zugang zu medizinischen Dienstleistungen und eine massive Qualitätsverbesserung. Dennoch darf gerade in im Kanton Basel-Stadt – mit seinen explodierenden Gesundheitskosten – zu Recht gefragt werden, ob die Mehrkosten in ihrer vollen Höhe mit der Qualitätserhöhung und Versorgungssicherheit einhergehen. Produzieren wir in Basel mit der ausgedehnten Spitalliste nicht ein Überangebot? Ist eine Bettenbelegung von durchschnittlich 84.5% nicht zu gering?[2] Lässt sich die explosionsartig gewachsene Anzahl von spezialärztlichen Praxen und von Privatkliniken vollumfänglich mit den gestiegenen Ansprüchen an unsere Gesundheitsversorgung rechtfertigen? Weshalb investieren wir schliesslich nicht mehr in die Prävention?
Meine Überzeugung ist es, dass die Gesundheitskosten mit der Verringerung der Anzahl Kliniken (respektive einer Einschränkung der Spitalliste) und der Anzahl spezialärztlicher Praxen signifikant eingeschränkt werden könnten, ohne dass die Gesundheitsversorgung an Qualität einbüssen müsste. Dazu müssten die konsequente Verschreibung von Generica und adäquate Präventionsmassnahmen kommen.
Doch der politische Wille fehlt. Weshalb wurde mein Anzug für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung[3] 2015 im Grossen Rat abgelehnt? Weshalb wurde das Präventionsgesetz 2012 von den eidgenössischen Räten abgeschmettert? Im Fall des Nationalrates war die Lobby der Anbieter medizinischer Leistungen wohl stark genug, um lästige präventive Massnahmen zu verhindern. Tatsächlich beträgt der Anteil an Ausgaben für die Prävention nur 2.3% der gesamten Gesundheitskosten.
Nun möchte ich vier Einzelmassnahmen auflisten, die notwendigerweise gegen die explodierenden Gesundheitskosten ergriffen werden müssten oder könnten.
- Totalrevision vom SwissDRG, Überdenken und Anpassungen von TARMED, TARPSY und ST Reha
Der SwissDRG (seit 2012) und TARMED (seit 2003) müssen grundlegend überdenkt werden. Es kann nicht sein, dass die Verwaltungskosten der behandelnden Personen durch ein neues Abrechnungssystem dermassen in die Höhe schnellen.[4] Mit dem SwisssDRG tragen Prämienzahlende zur Infrastruktur des Gesundheitswesens bei, was nicht sein darf. Mit dem SwissDRG nimmt der administrative Aufwand nicht wie angekündigt ab. Laut Christian Hess ist diese Kostensteigerung auch auf systemimmanente Fehlanreize zurück zu führen und wiederspiegelt in der jetzigen Handhabung nicht mehr die Grundidee des SwissDRGs.[5] Aufgrund dieser systematischen Fehler müssen die beiden neuen Verrechnungssysteme TARPSY und ST Reha vor der Einführung nochmals überdenkt werden und der SwissDRG angepasst werden.
- Das HMO soll attraktiver werden
Wer beim Hausarztmodell mitmacht, sollte eine um 50% tiefere Prämie zahlen im Vergleich zu einem Normalversicherten. Das funktionierende Hausarztmodell muss sich auch finanziell für ein Individuum lohnen. Damit aber überhaupt mehr am HMO teilnehmen können, sind zwingend Massnahmen zur Förderung der GrundversorgerInnen notwendig. Es darf auch darüber nachgedacht werden, ob das HMO-Modell nicht die Voraussetzung für Prämienverbilligungen (sofern nach dem neuen Finanzierungsmodell überhaupt noch welche notwendig sind) sein könnte.
- Eindämmung der Medikamentenpreise durch vermehrte Verwendung zugelassener Generica
18% der OKP-Bruttokosten (Jahr 2011, Quelle: Grundlagebericht zu Fakten und Finanzierung des Gesundheitswesens des Kantons Basel-Stadt“, S. 46) sind auf die Medikamentenkosten in Apotheken zurück zu führen. Ein knappes Fünftel der OKP-Bruttokosten wird also durch Medikamente verursacht. Das Universitätsspital, wie auch viele andere Spitäler, verschreiben oft Originalmedikamente. Jene können in der Apotheke durch Generica ersetzt werden (sofern es welche gibt) – was aber in Realität häufig nicht geschieht. Die Verwendung von Genericas muss gefördert werden – ggf. auch durch finanzielle Anreize.
- Überprüfung der Zulassungsbeschränkung für das Medizinalpersonal
Dem „Grundlagebericht zu Fakten und Finanzierung des Gesundheitswesens des Kantons Basel-Stadt“ ist zu entnehmen, dass die Kosten der Apotheken im Kanton Basel-Stadt hoch sind. Dies sei einerseits auf die überdurchschnittliche Menge an Medikamenten wie auf das Verbot der Selbstdispensation zurückzuführen. Es fällt darüber hinaus auf, dass die Dichte an Apotheken in Basel-Stadt überdurchschnittlich hoch ist. 2003 sah die Bundesverordnung eine bedarfsgerechte Zulassung für ÄrztInnen und Apothekerinnen vor. Die Zulassungsbeschränkung ist – nach mehreren Verlängerungen – erneut zu prüfen und allenfalls noch strenger zu handhaben.
Diese vier Massnahmen sind Handlungsvorschläge, die ernsthaft zu prüfen wären.
Da die Belastung der Prämienzahlenden dadurch wohl nicht gesenkt – sondern nur reduziert werden kann (aufgrund des medizinischen Fortschrittes, demographischen und gesellschaftlichen Entwicklung, etc.) ist neben einem Massnahmepaket zur Eindämmung der Gesundheitskosten auch ein neues Finanzierungsmodell notwendig. Mein Vorschlag – mit Teilen, die nicht neu sind – trägt vielen Entwicklungen Rechnung. So beispielsweise der Entwicklung von der Verschiebung von der stationären zur ambulanten Behandlung.
Die stationäre und ambulante Behandlungen (OPK-Bereich) sollen auf gleiche Art und Weise finanziert werden. Nicht länger soll der ambulante Bereich hundertprozentig der Versicherung zu Lasten fallen (und damit den Prämienzahlenden) und die stationäre Behandlung zu mind. 55% dem Kanton und max. 45% der Versicherungen.
Nicht länger soll der Grossteil der Gesundheitskosten durch die Krankenversicherung (Prämienzahlender) finanziert werden, sondern es soll eine neue prozentuale Aufteilung der Gesundheitskosten zwischen Bund, Kanton und Prämienzahlenden geben.
60% der stationären und ambulanten (OPK)-Behandlung soll von den Kantonen finanziert werden. Es steht den Kantonen frei, welche Steuereinnahmen // Steuererhöhungen dafür verwendet werden sollen. Damit sollen die Gesundheitskosten zu 60% von progressiven Steuern finanziert werden. Mit einem 60%igen Anteil haben die Kantone zudem den Anreiz Massnahmen zur Kosteneindämmung der Gesundheitskosten zu ergreifen.
15% der Kosten soll der Bund (beispielsweise durch die Erhöhung der Bundessteuer) übernehmen. Damit hat auch der Bund ein Interesse Gesundheitskosten – beispielsweise durch die Senkung der Medikamentenpreise, Präventionsstrategien – mitzubeeinflussen. Wiederum wird dieser Anteil an den Gesundheitskosten nicht durch eine Kopfsteuer berappt, sondern durch ein progressives Steuersystem, das die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Individuums mitberücksichtigt. Zudem schafft er im Gegenzug zu dem aktuellen Finanzierungsmechanismus einen gewissen Ausgleich für Stadtregionen, die tendenziell eine Zentrumslast tragen und generell höhere Gesundheitskosten haben.
Die restlichen 25% sollen wie bis anhin via Versicherungen, respektive Prämien finanziert werden.
Mit den Anstrengungen, die bis anhin sowohl auf kantonaler und nationaler Ebene unternommen wurde, mit der Einführung neuer Massnahmen und einer Änderung des Finanzierungsmechanismus können wir die Gesundheitskosten mittel-bis langfristig bezahlbar machen. Doch all dies ist nur gemeinsam möglich. Denn schliesslich ist das Gesundheitswesen für den Menschen da und muss deshalb auch bezahlbar sein.
[1] Quelhttp://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/14/01/new/nip_detail.html?gnpID=2016-123
[2] Statistisches Jahrbuch Basel-Stadt 2015, S. 189
[3] http://www.grosserrat-bs.ch/de/geschaefte-dokumente/datenbank?such_kategorie=1&content_detail=200107053
[4] FMH Begleitstudie, Januar 2016
[5] Synapse, Ausgabe 4 September 2016, S. 11