Eine hitzige Debatte innerhalb der SP

Ich habe das Referendum gegen die dringliche Vorlage der Asylgesetzesrevision unterschrieben. Und ich werde bei der Abstimmung NEIN stimmen. Das ist doch gar keine Frage. Aufgrund von diversen Facebook-Diskussionen und Beleidigungen möchte ich hier meine etwas differenzierte Meinung darlegen.

Ich bin dagegen, dass das Asylgesetz verschärft wird. Die Schweiz soll Menschen helfen, die in sich in einer Notlage befinden. Trotzdem bin ich kritisch gegenüber dem Ergreifen des Referendums der dringlichen Vorlage (aber durchaus nicht abgeneigt). Mag sich einer die Frage stellen, wie dies zusammenpasst: Für mich ist es konsequent. Ich setze mich seit langer Zeit für Flüchtlinge ein. So habe ich 2011 beispielsweise die Demo in Bettwil mitorgansiert (als die Bettwiler-Bevölkerung ein Freudefest veranstaltete, nachdem klar wurde, dass dort kein neues Asylzentrum gebaut wird). Ich setze mich dafür ein, dass es genügend Asylunterkünfte in der ganzen Stadt gibt, und jene in der ganzen Stadt verteilt errichtet werden (für eine bessere Integration und um die Angst vor dem Fremden innerhalb der Bevölkerung abzubauen). Ich verfasste einen Prospekt, der das zugegebenermassen komplizierte Asylwesen der Schweiz erklärt (damit die Bevölkerung weiss, welch kompliziertes Verfahren es ist, und damit auch einige Fakten richtig dargestellt werden). Ich unterrichte einem Flüchtling Deutsch und setzte mich für ein weitsichtiges und solidarisches Migrationspapier der SP Schweiz ein. Ich arbeite seit 4 Jahren als Hilfswerksvertreterin im Bundeszentrum in Basel.

Meine Strategie dahinter: Die solidarische Schweiz soll in den Köpfen der Bevölkerung verankert werden. Vorurteile abgebaut werden, der Fremdenhass soll überwunden werden. Gleichzeitig soll sich die Schweiz aber auch bewusst werden, dass ihr Handeln (beispielsweise aussenpolitisch) Konsequenzen für viele Menschen auf dieser Welt hat. Ich verfolge längerfristig das Ziel, dass niemand mehr gezwungen sein muss, sein Heimatland zu verlassen.  Migration soll auf freiwilliger Basis stattfinden.

Und nun zur Asylgesetzesrevision: Gegen die beiden Verschärfungen auf dem Papier (Botschaftsverfahren und Desertierung) müsste das Referendum unbedingt ergriffen werden, wenn diese in der Praxis viel ändern würde. Doch: Wer desertiert, kann weiterhin einen positiven Asylentscheid erhalten (Nachfluchtgründe), und Härtefälle können weiterhin auf den inländischen Botschaften gestellt werden (v.a. Kinder und Frauen).  Jedoch, und das ist die praxisnahe Restriktion: Härtefallgesuche können nicht in Drittländer gestellt werden. Deshalb kann ich auch mit Überzeugung NEIN gegen die Vorlage stimmen und verstehe auch die Referendumsergreifer! Aber ich habe die negative Konsequenzen, die daraus resultieren können, höher gewichtet: Eine fremdenfeindliche Abstimmung gibt der aktuellen Tendenz Rückenwind; eine sehr defensive Haltung erweckt den Eindruck, als hätten wir keine eigenen Lösungen.

Deshalb fordere ich:

  • Sollte die dringliche Vorlage zur Abstimmung kommen, ganz klar NEIN stimmen: Denn die Revision ist auf dem Papier eine Restriktion!
  • Die anderen Teile der Revision (nicht dringlich) werden m. E. sehr einschneidend sein (beispielsweise, dass jede Wegweisung in ein sogenanntes safe country in jedem Falle zulässig und zumutbar sei).  Das Referendum dagegen zu ergreifen, erscheint mir als absolut notwendig.
  •  Die Schweiz muss ihre aussenpolitische Verantwortung wahrnehmen. Wir dürfen keine Schwarzgelder mehr von Diktatoren auf unseren Banken bunkern, wir müssen faire Arbeitsbedingungen auch im Ausland anstreben
  • Die Linke muss aktiv Asyl-und Migrationspolitik betreiben und darf dieses Thema nicht den Rechten überlassen. Das Zwei-Kreisemodell muss längerfristig überwunden werden.
  • Wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit intensivieren, ohne die Länder zu erpressen mit einem Gegendeal (à la: „ihr bekommt das, wenn ihr uns das gebt.“), Projekte wie „protect the region“ sollen verstärkt werden.
  • Wir müssen gemeinsam gegen die Salonfähigkeit von Fremdenhass kämpfen

Ich hoffe, dass dies nun einwenig Klarheit schafft, dass wir wirklich auf derselben Seite stehen. Dass ich auch die Argumentation der Referendumsergreifer verstehe, akzeptiere und selbst mit meiner Entscheidung immer wieder zu kämpfen habe.  Wir kämpfen für das Selbe, lassen wir uns nicht auseinanderdividieren! Solidarisch